Mit geeigneter Fernwirk- und Automatisierungstechnik lassen sich dezentrale Systeme wie Brunnen, Wasserspeicher, Abwasserkanäle, Pumpstationen und Kläranlagen in zentralen Leitstellen überwachen und steuern. Per Funk oder Internet lässt sich solche Technik auch nachträglich installieren.

Online-Berichterstattung in der Fachzeitschrift PROCESS zum Projekt Abwasserzweckverband (AZV) Jagst-Kessach, Kläranlage Widdern.

Auszug aus der „PROCESS“:

Fernwirk- und Automatisierungstechnik

Fernwirk- und Automatisierungstechnik schafft Transparenz

Mit geeigneter Fernwirk- und Automatisierungstechnik lassen sich dezentrale Systeme wie Brunnen, Wasserspeicher, Abwasserkanäle, Pumpstationen und Kläranlagen in zentralen Leitstellen überwachen und steuern. Per Funk oder Internet lässt sich solche Technik auch nachträglich installieren.

Spukhafte Fernwirkung nannte Albert Einstein den Effekt, bei dem zwei Lichtteilchen quantenmechanisch miteinander verschränkt sind. Von dieser Art Fernwirkung ist hier nicht die Rede, hier geht es um den bidirektionalen Datenaustausch – vom Marketing gern als Kommunikation bezeichnet – zwischen technischen Systemen der Wasserwirtschaft.

Warum das Fernwirken hier hilfreich ist, liegt nahe: Kleine und mittlere Wasserwerke und Klärwerke arbeiten häufig ohne Personal vor Ort. Bei Störungen und Abweichungen von Grenzwerten erhält der Betreiber z.B. per SMS einen Hinweis – dann muss ein Techniker schleunigst vor Ort nach dem Rechten schauen. Schneller und effizienter ist der Einsatz von Fernwirktechnik, um die dezentrale Anlage von einem zentralen Leitstand aus zu lenken: Volumenströme, Füllstände, Betriebszustände (auch per Kamera) und Störmeldungen können erfasst, analysiert und gegebenenfalls korrigiert werden. Das spart Personal und ermöglicht eine raschere Störungsbeseitigung.

Außenstationen bidirektional verbinden

Der Abwasserzweckverband (AZV) Jagst-Kessach setzt zur Überwachung und Steuerung in der Kläranlage Widdern auf das Prozessleitsystem von Flowchief. Die Bedienung erfolgt über einen Standard-Webbrowser ohne Zusatzsoftware. Per Internet können alle Gemeinden mit individueller Benutzer- und Zugriffsberechtigung in vollem Funktionsumfang auf das zentrale Prozessleitsystem beim AZV zugreifen. Dabei ist der Informations- und Bedienungskomfort identisch mit einem Mitarbeiter, der direkt in der Zentrale arbeitet. Es handelt sich um ein Außennetzwerk von über 50 Außenstationen wie Pumpwerke, Regenüberlaufbecken und Strömungsbeschleuniger, die in Standleitungsqualität per GPRS oder Satelliten-DSL mit der Zentrale verbunden sind. Bei einem Verbindungsausfall werden die Daten zwischengepuffert und bei erneut aktivierter Verbindung automatisch mit Zeitstempel in die Datenbank übertragen. Das heißt: Im Reporting sind die Informationen auch da, wo sie sein sollen.

Ein weiterer Praxisfall: Die Stadt Lügde betreibt zwei Kläranlagen und versorgt die mehr als 10.000 Einwohner im Stadtkern und neun angegliederten Ortschaften mit Wasser. Das Frischwasser wird aus zwei Quellen und zehn Brunnen gewonnen. Von dort aus gelangt das Wasser durch das 124 km lange Rohrnetz in die Haushalte.

Die relevanten Messdaten wurden in der Vergangenheit über Messschreiber auf Papierbahnen oder über Bildschirmschreiber aufgezeichnet. Die Protokollierung war kompliziert und zeitaufwändig. Daher haben sich die Verantwortlichen des Wasserwerks Lügde zur Investition in ein neues Fernwirksystem von Phoenix Contact entschieden. In der Südfelder Zentrale laufen seit der Umstellung alle prozessrelevanten Informationen auf dem Leitsystemrechner zusammen.

Die digitalen Ein- und Ausgänge der Steuerungen aus dem Inline-Installationssystem sind flexibel erweiterbar und somit passend für jedes Bauwerk. Das Visualisierungssystem verfügt über eine integrierte Webserver-Anzeige. So können zu jeder Zeit von jedem beliebigen Ort die Stationen überwacht werden. Mit Ipatec stand Phoenix ein Systemintegrator zur Seite, der die Gesamtlösung betreute.

Fernüberwachung des Wassernetzes von Bukarest

Dass moderne Fernwirktechnik auch sehr große Netze zu beherrschen vermag, zeigt das Beispiel APA Nova Bucaresti (eine Tochter von Veolia Water): Das Unternehmen verwaltet Produktion, Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser sowie die Abwasserentsorgung von Bukarest. Die Wasserversorgung beruht hauptsächlich auf der Wasserentnahme mittels Pumpen aus zwei Flüssen, die rund 20 km von Bukarest entfernt liegen. Aufbereitet wird das Wasser in drei Werken, das Wassernetz umfasst 188 km Überlandleitungen für Trinkwasser und 54 km Kanalleitungen für Rohwasser (beide mit Freispiegelgefälle), 620 ausgeschachtete Brunnen, 20 Behälter (mit einer Gesamtkapazität von 360.000 m3), sieben Druckerhöhungsanlagen (mit 52 Pumpensätzen) und 2800 km Trinkwasserverteilernetz unter Druck.

Angesichts der Ausmaße des Wassernetzes und der Anzahl hydraulischer Bauwerke ist die 2003 realisierte Fernwirktechnik eine Grundvoraussetzung für die Sicherheit und Optimierung der Wasserversorgung. 2006 beschloss APA Nova, zur Durchflussanalyse im Verteilernetz und zur Reduzierung von Lecks außerdem ein Zonenmesssystem einzuführen. Durch die Erweiterung des Fernwirksystems um Niederschlagsmessstationen und Abwassersammelbehälter wurde die Möglichkeit geschaffen, den Betrieb des Abwassernetzes zu überwachen und zu analysieren.

Die erste Phase des Fernwirkprojekts umfasste die Wasserentnahmestellen, die Aufbereitungsanlagen und die Druckerhöhungsanlagen der ersten Stufe. Die zweite Phase umfasste die Druckerhöhungsstationen (Hydrofores), die für die Wasserverteilung in den einzelnen Stadtvierteln zuständig sind. Über 120 Standorte werden über Fernwirkstationen von Lacroix Sofrel überwacht, von denen ein Teil mit SPS-Geräten kommuniziert. Die Datenfernübertragung erfolgt derzeit über Funk- oder GSM-Verbindungen und wird mittelfristig auf GPRS-Verbindungen umgestellt. Die Daten werden zur Auswertung und Darstellung in Form von Tabellen, Kurven und Übersichtsgrafiken von Leitständen übernommen und archiviert.

Pneumatik in der Wasser- und Abwassertechnik

Pneumatische Automatisierungstechnik reduziert die Investitions-, Installations- und Betriebskosten im Vergleich zu elektrischen Installationen teils um mehr als 50 %, rechnet Festo vor. Über ihre gesamte Lebensdauer hinweg bleiben pneumatische Antriebe wartungsfrei. Weiterer Vorteil: Die Druckluft steht auch bei Ausfall der elektrischen Energie zur Verfügung, da für die Erzeugung und Aufbereitung neben einem Kompressor immer auch ein Druckluftspeicher vorhanden ist.

Einsatz in Griechenland: Psyttalia Wastewater Treatment Plant heißt das ehrgeizige Projekt auf der gleichnamigen Insel Psyttalia in der Bucht vor Athen und der Hafenstadt Piräus. Die Abwässer werden über eine 1,5 km lange Pipeline vom Festland zur Kläranlage auf der Felsinsel Psyttalia gepumpt. Die technischen Daten muten gigantisch an: Die biologische Klärstufe umfasst u.a. zwölf Faulbehälter mit einem Gesamtvolumen von nahezu 300.000 m³ und einer Durchflussrate von 1.000.000 m³ pro Tag.

Für die Zuflusssteuerung sorgen Plattenschieber mit pneumatischen Linearantrieben vom Typ DLP. Sie wirken direkt auf die Schieberplatte und arbeiten damit gegenüber anderen Antriebsarten wartungsfrei. Bei der Durchflusssteuerung für das im Faulturm entstehende Biogas kommen Schwenkantriebe zum Einsatz. Diese regeln zudem die Verteilung von Heißwasser für die Wärmetauscher, die eine Temperatur von 36 °C im Faulbehälter konstant halten.

Nachträgliche Ertüchtigung möglich

Über eine standardisierte, genormte Datenübertragung lassen sich selbst Wasserversorgungsnetze und Abwasseranlagen, die bereits seit Jahrzehnten im Einsatz sind, auf einfache Weise modernisieren und erweitern, verspricht Siemens. Grundsätzlich bilden zentrale Leitstellen wichtige Knotenpunkte in einem funktionierenden Versorgungssystem. Die Anbindung daran wird durch entsprechende technische Lösungen unterstützt, wie z.B. durch das Fernwirksystem Siplus RIC (Remote Interface Control). Diese Produktfamilie ermöglicht ein skalierbares Fernwirken und Automatisieren auf Basis des Automatisierungssystems Simatic S7. Während die kleinste Einheit aus Hard- und Software (Bundle) bis zu 200 Informationspunkte verarbeitet, kann die höchste Ausbaustufe – bestehend aus einer Steuerung Simatic S7-400H und der Siplus RIC Library – bis zu 5000 Informationspunkte handhaben.

Siemens-Technik kam auch beim Austausch der Visualiserungs- und Automatisierungstechnik der Kläranlage Oederan durch die WKS Group zum Einsatz.

Fazit: Dezentrale Versorgungs- und Entsorgungstechnik profitiert von zentraler Informationsverarbeitung. Deshalb investiert die Wasserwirtschaft weltweit in Fernwirk- und Automatisierungstechnik, erhöht damit Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit ihrer Anlagen und spart Energie und Personalkosten.